Wie Berufung geschieht und wächst...
Schwestern erzählen von ihrer eigenen Berufung

Schwester M. Inge Grehn
Die Gemeinschaft hält in uns lebendig,
was wir allein vergessen und verlieren würden...
Äußerlich gesehen mag mein Werdegang zur Ordensschwester deshalb logisch erscheinen. Aber so glatt läuft Berufung nicht! Meine Kindheit und die Begegnung mit einigen Menschen in meiner Jugendzeit mögen wichtige Mosaiksteine auf dem Weg dazu gewesen sein, auch mein Freund. Damals war ich 18 und die Monate mit ihm waren sehr schön. Aber als die Freundschaft zu Ende ging, dachte ich: "Das non plus ultra ist diese Lebensform nicht unbedingt für mich". Als junge Erwachsene war ich innerlich unruhig. Zwar hatte ich freudig in Würzburg mit dem Biologie- und Chemiestudium begonnen, denn die Naturwissenschaften waren immer schon meine Welt. Aber ich suchte nach einem wirklich ausgefüllten Leben.Als ich etwa 16 Jahre alt war, lies ich mich von unserer quicklebendigen Gemeindereferentin Hedwig Rauch anstecken und baute mit ihr und anderen jungen Leuten bei uns die Katholische Junge Gemeinde mit auf. Es hat mir viel Freude gemacht, mich in der KJG als Gruppenleiterin in Gruppenstunden, Gottesdiensten oder weltweiten Aktionen zu engagieren.
Als ich knapp 20 Jahre alt war, griff der Zufall ein. Unter Zufall verstehe ich das, was mir von Gott her "zufällt" wie ein Geschenk. Ich weiß das Datum noch ganz genau, weil ich es als eine Sternsunde meines Lebens betrachte. Am 25. Februar 1983 fiel unerwartet eine Vorlesung aus. Damals gab es in der Marienkapelle die Fünf-Minuten-Besinnung in der Fastenzeit. Weil mich das interessierte und es an keinem anderen Tag gepasst hatte, ging ich hin. Zufällig gestaltete an diesem Tag Schwester Teresa von den Ritaschwestern diese Besinnung, ihre einzige in dieser Fastenzeit.
An den Inhalt der Besinnung erinnere ich mich nicht mehr, aber ich weiß, dass ich am Ende beim Ausgang Schwester Teresa mit ihrem Ordensnamen angesprochen habe. Damals war ich noch recht schüchtern, das Ansprechen war mutig. Und ich weiß bis heute nicht, warum ich sie ansprach und woher ich ihren Ordensnamen kannte. Schwester Teresa war mir nämlich nur unter ihrem weltlichen Namen ein Begriff. Sie war in meiner Kinderzeit vor ihrem Eintritt ins Kloster bei uns Gemeindereferentin gewesen. Sie konnte sich auch an mich erinnern. Schwester Teresa lud mich zu einem Besinnungstag ins Mutterhaus der Ritaschwestern ein. Damit begann mein Kontakt mit dieser Gemeinschaft.
Die Stunden im Kloster, der Briefkontakt und die Atmosphäre in der Gemeinschaft haben mir gut getan. Ich habe viel Wärme erfahren, mich sehr wohl gefühlt. 1985 verbrachte ich ein Woche im Kloster, im Januar und Februar 1988 war ich wieder hier und habe den Tagesablauf mit Gebets-, Essens- und Arbeitszeiten mitgelebt. Ich hatte das Gefühl, hier aufzublühen. Es lockte mich geradezu in dieses Haus. Hier gab es Menschen, die mit mir auf der Suche waren, die mir geholfen haben, meinen Weg zu finden.
Das Frühjahr 1988 war sehr aufregend für mich. Ich steckte eigentlich mitten in der Examensvorbereitung und fühlte genau, dass ich eine Entscheidung für mein Leben treffen musste.
Am Ritafest im Mai 1988 hatte ich einen Termin bei Schwester Marietta, der damaligen Generaloberin. Ich bat sie, mich als Kandidatin aufzunehmen. Und ich spürte dabei eine große Freiheit.
Der Entschluss für das Klosterleben hat mich viel Kraft gekostet. Ich habe deshalb mein Examen um ein halbes Jahr hinaus geschoben. Mein Vater akzeptierte meine Entscheidung zur Ordensschwester, aber meine Mutter war sehr enttäuscht. Sie hatte gehofft, ich würde Lehrerin werden.
Ich selbst wusste, dass ich bei den Ritaschwestern eigentlich eine Exotin sein würde. Der Gründungsgedanke der Gemeinschaft ist die Sorge um Familien. Konnte ich dies mit meinen beruflichen Interessen vereinbaren?
Gott hat es mir möglich gemacht. Im Juni 1989 habe ich mein Studium in Biologie und Chemie abgeschlossen und am 1. September 1989 bin ich ins Kloster eingetreten. Die Kongregation lässt es zu, dass ein Stück von mir der Naturwissenschaft gehört. Nach meiner Ausbildung zur Medizinisch-technischen Assistentin begann ich, als Ritaschwester im Labor des Juliusspitals arbeiten. Bei vielen Patienten spüre ich besonderes Vertrauen und Offenheit, weil ich Ordensfrau bin. Ich kann durch meine Art und Weise an meiner Arbeitsstelle zeigen, dass es uns Schwestern gibt.
Nach wie vor ist mir die Gemeinschaft am Wichtigsten. Ich brauche die Gebetszeiten und Bibelgespräche mit einander, das gemeinsame Essen und den Austausch der Gedanken. Es ist ein Geben und Nehmen. Ich spüre im Kloster viel Herzlichkeit und Lebendigkeit. Wir Ritaschwestern versuchen, im Jetzt zu stehen. Wir fragen uns: "Was wird heute gebraucht?" Das gefällt mir. Ich glaube, dass Gott mich hierher geführt hat und vertraue darauf, dass alles seinen Sinn hat.
Schw. Inge Grehn

Schwester M. Nicole Klübenspies
Gerufen zu Lebendigkeit und Engagement
Die Idee, ins Kloster zu gehen, hatte ich am Anfang gut verdrängt und mein Studentenleben in Mainz genossen. Und dennoch drängte sich am Ende meiner Studienzeit der Gedanke, vielleicht doch zum Ordensleben berufen zu sein, immer wieder auf. Ich hatte die Sehnsucht, mit Gleichgesinnten zu leben und mit ihnen meine Glaubenserfahrungen zu teilen. In der Zwischenzeit lernte ich den Beruf der Gemeindereferentin kennen und erfuhr, dass bereits eine blinde Frau diese Ausbildung gemacht hat. Ich setzte alles daran, diesen Beruf ergreifen zu können. Ich erinnere mich heute noch gern an die Studienzeit in Mainz, bei der mich meine MitstudentInnen durch Vorlesen und auf Tonband lesen sehr unterstützt haben.
Als ich das meiner Mitstudentin in einem Nachtgespräch offenbarte, konnte sie das überhaupt nicht nachvollziehen. Sie war fest davon überzeugt, dass dieser Weg nicht zu mir passt. Während meiner Studienzeit hatte sich die Blindenschule in Würzburg aufgelöst und so gab es für mich keine Einsatzmöglichkeit in der Diözese. Von den Verantwortlichen konnte sich niemand vorstellen, dass ich als blinde Gemeindereferentin in einer Pfarrgemeinde tätig sein könnte. So hat die Diözese Mainz in Zusammenarbeit mit Limburg es mir ermöglicht, mein Anerkennungsjahr in einer Pfarrgemeinde zu beginnen.
Diese Zeit war für mich eine große Herausforderung und es taten sich mir viele Lernfelder auf. Ich lernte mit den vielen Möglichkeiten und mit meinen Grenzen umzugehen. Wir merkten im Seelsorgeteam, dass ein Einsatz in einer Pfarrgemeinde auch für mich unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist. Ich durfte erfahren, dass Gott sich meiner Grenze bedient, und sie für andere zum Segen werden lässt.
Die Ahnung, dass ich zum Ordensleben berufen sein könnte, ließ mich nicht los. So fühlte ich mich immer mehr gedrängt, mich mit diesem Weg auseinander zu setzen. Ich nahm Kontakt mit einer Studienkollegin auf, von der ich wusste, dass sie bei den Ritaschwestern in Würzburg eintreten will. Ich wollte mich bei ihr ein wenig über Ordensleben informieren.
Zu den Ritaschwestern wollte ich damals auf keinen Fall. Ich hatte die Vorstellung, dass ich in dieser Gemeinschaft eine Heiligenverehrung vollziehen müsste, die mir nicht entspricht. Die Vorstellung kam aus der Erfahrung, die ich als Kind gemacht hatte: Meine Pflegemutter fuhr mit mir am Ritafest nach Würzburg und die langen Gottesdienste waren für mich schrecklich. Dieses unangenehme Gefühl übertrug ich auf die Ritaschwestern.
Als ich im Sommer 1975 mit dieser Studienkollegin einen Besuch bei den Ritaschwestern in Würzburg machte, waren meine Erfahrungen ganz anders. Am Anfang des Abends war alles etwas fremd und im Laufe des Abends wurde mir immer klarer, hier ist dein Platz.
Auf der Rückfahrt sprach ich mit meiner Studienkollegin über die Erfahrungen des Abends. Sie machte mir Mut, an die Ordensleitung einen Brief zu schreiben. Das tat ich auch in den nächsten Tagen. Ich war davon überzeugt, dass die Ordensleitung auf keinen Fall ja zu einem Eintritt sagen würde, da ich fast blind bin und noch dazu unbedingt nach dem Noviziat in einer Gemeinde tätig sein wollte.
Und doch war ich innerlich hin und her gerissen. Einerseits spürte ich, wo der Weg hingehen soll und andererseits wollte ich nicht. Ich hatte Sorge meine Freiheit und auch meine Beziehungen aufgeben zu müssen. Und noch dazu bahnte sich eine Beziehung an, die für mich auch sehr versprechend war. Ich konnte in dieser Situation nur noch um Klarheit beten.
Und die Klarheit kam...
Eine Woche, nach dem ich meinen Brief an die damalige Generaloberin geschrieben hatte, bekam ich gegen Abend im Pfarrbüro von ihr einen Anruf und sie teilte mir mit, dass von Seiten der Gemeinschaft meinem Eintritt nichts im Wege stehe. Mein Gefühl, als ich den Hörer auflegte, werde ich nie vergessen. Konkret wusste ich noch überhaupt nicht, wie das alles wird, nur eines wusste ich, mein Weg ist klar. Die Ängste und Sorgen hatten kein Gewicht mehr, ich war in diesem Moment davon überzeugt, dass Gott mich führt.
Meine Umwelt war sehr geschockt. Meine Familie, meine Freunde, meine KollegInnen konnten meine Entscheidung nur schwer verstehen. Immer wieder bekam ich gesagt: "Du bist so ein lebensfroher Mensch, wie kannst du einen solchen Weg gehen und dir deine Freiheit nehmen lassen."
Ich war mir ziemlich sicher, dass mein Weg zu den Ritaschwestern führt, und dennoch war es mir wichtig, eine Zwischenzeit zu haben. So begann ich, erst ein Jahr später, im Sommer 1976 mein Postulat in Würzburg bei den Ritaschwestern. Nach zwei Jahren Noviziat wurde ich dann auch in einer Pfarrgemeinde eingesetzt.
Es gab während meines Ordenslebens viele Höhen und Tiefen, häufiges Suchen und Fragen und auch immer wieder Auseinandersetzungen um den richtigen Weg innerhalb der Gemeinschaft. Dabei war und ist meine wichtigste Erfahrung, dass Gott der Treue bleibt, der seine Verheißungen nie zurücknimmt. Und dass ich letztlich immer die Beschenkte bin, wenn ich mich für die Menschen einsetze, die auf der Schattenseite des Lebens und am Rand unserer Kirche stehen.
Ich bin auch heute, nach über 30 Jahren davon überzeugt, dass Ordensleben Zukunft hat. Die Formen und das äußere Erscheinungsbild werden sich vermutlich verändern. Und doch wird unsere Sendung vom Evangelium her nie an Aktualität verlieren. So bleibt die Entscheidung für eine Ordensgemeinschaft auch für die Zukunft ein Geschenk und eine Herausforderung durch unseren Gott!
Schw. Nicole Klübenspies OSA
Gemeindereferentin in Lohr am Main

Schwester M. Ursula Pieper
"Unruhig ist unser Herz...." (Augustinus)
Der Impuls, ins Kloster zu gehen, kam im Laufe meines Lebens noch mehrmals. Besonders zu einem Leben in einer kontemplativen Gemeinschaft fühlte ich mich hingezogen. Wirklich dazu entschieden aber habe ich mich erst viel später. Geboren bin ich 1949. Bereits im 16. Lebensjahr tauchte in mir der Gedanke auf, mich einer Ordensgemeinschaft anzuschließen aber ein ausführliches Gespräch mit meiner Mutter ließ mich davon wieder Abstand nehmen.
Enttäuschungen in der Glaubensverkündigung führten dazu, dass ich in eine tiefe Kirchenkrise geriet. Der Bruch mit der Kirche war ganz radikal. Es war für mich schwer, nicht mehr in die Kirche zu gehen, denn ich vermisste die Geborgenheit, doch es war mir nicht mehr möglich. Zugleich spürte ich in mir die Gewissheit: Es kommt etwas! Schließlich war ich ja ein tief religiöser Mensch und hatte meinen Glauben.
1990 kam ich mit dem buddhistischen Glauben in Kontakt. Durch begleitende Gespräche mit Ayya Khema und Mitleben im Buddha-Haus im Allgäu entdeckte ich die Wurzeln des christlichen Glaubens ganz neu in mir. Durch Ayya Khema kam ich zu dem Mystiker Meister Eckhart, meiner großen Liebe.
Als ich mich mit mit 47 Jahren endgültig von dem Gedanken an ein Leben in einer Klostergemeinschaft verabschiedet hatte, begegnete ich den Ritaschwestern. Im Mai 1997 zog ich ins Kloster ein und begann die Ausbildung.
Mit 47 Jahren nochmals in die Noviziatsrolle zu gehen, war für mich ganz schön schwer. Nicht mehr selbst mein Leben zu bestimmen, mit anderen abzustimmen bzw. mich bestimmen zu lassen, ist für mich das Anspruchsvollste auf diesem Weg. Doch ich bin überzeugt, dass ich nun an einem Ort bin, an dem Gott mich haben will. Darum konnte ich in meiner Profess auf Lebenszeit auch ein überzeugtes Ja zu diesem Weg sagen.
Schw. Ursula Pieper